Log #261 – Unterstützung

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Eine unerwartete Unterstützung und Missstände in der Regenerations-Krise.


Es hatte sich nichts verändert, seit ich das erste mal hier war. Gerahmte Bilder mit den Raumschiffen von Crusader Industries zierten den Raum. Hinter einem Schreibtisch, auf dem Sturmwal-Plüschtiere standen, saß der Manager der Abteilung für Forschung, Entwicklung und Logistik von Crusader Industries. Sein blaues Hemd war etwas zerknittert und ausgewaschen. Auf seiner linken Brust strahlte eine goldene Anstecknadel mit dem Emblem von Crusader Industries. Er warf mir ein Stoffbündel vor die Brust. 

“Willkommen zurück im Team, Zero”, sagte er lachend.

“Ich bin nicht zurück”, protestierte ich.

“Sind Sie. Sie haben es nur noch nicht realisiert.”

Ich betrachtete das Stoffbündel. Es war ein blauer Overall von Crusader Industries. Irritiert schaute ich den Manager an. 

“Was zum Teufel soll das?”

Er legte die Stirn in Falten.

“Ich brauche jemanden von Ihrem Kaliber. Einen erfahrenen Bergungsspezialisten. Im Rennen der Second Life Initiative von Imperator Addison stehen wir nicht besonders gut da.”

Er machte eine kurze Pause und stöhnte sorgenvoll.

“Und jetzt haben auch noch Outlaws unsere Transportschiffe überfallen.”

Er machte eine weitere Pause. Dann hellte sich sein Gesicht auf.

“Aber die Tracker funktionieren noch. Wir wissen wo die Fracht ist. Und da kommen Sie ins Spiel.”

Jetzt legte ich die Stirn in Falten und schaute den Manager fragend an.

“Holen Sie die Fracht zurück”, erklärte er. “Die notwendige Ausrüstung bekommen Sie gestellt. In Hangar 1 steht alles bereit.”

Ich wollte protestieren – da fuhr er fort.

“Und schauen Sie vorher im Krankenhaus vorbei und lassen sich testen. Vielleicht gehören Sie ja zu den glücklichen 10 Prozent, die das Gen haben.”

Eine Stunde später verließ ich das Krankenhaus der Wolkenstadt Orison. Um die bevorzugte Mitarbeiterbehandlung zu bekommen, hatte ich den blauen Crusader Overall angezogen. Zu meiner Überraschung hatte ich das Gen, das die Menschen hatten, bei denen die Regeneration funktionierte. Der Arzt hatte mir eine hohe Wahrscheinlichkeit attestiert, dass auch bei mir die Regeneration funktionieren würde. Garantieren konnte er es mir aber nicht.

10 Prozent und ich gehörte dazu. Bei allen anderen Menschen funktionierte die Regenerations-Technologie nicht mehr. In der Klinik hatte ich die Sorgen und Ängste der Menschen mitbekommen. Die privilegierte Bevölkerung des UEE verlor ein Privileg. Dabei übersahen sie, dass die freien Völker keine Privilegien wie die UEE Bürger hatten. Sie hatten nur ihre Freiheit und die konnten sie durch die Regeneration-Krise verlieren.

Deshalb war es wichtig, dass ich half, die Regenerations-Krise zu beenden. Aber warum sollte ich Crusader Industries helfen? Warum sollte ich den Bergungsauftrag annehmen? Ich musste zurück zu meinen Freunden nach Pyro. Dort suchten wir nach Mineralien, die benötigt wurden, um eine Lösung für die Krise zu finden. 

Nachdenklich stand ich vor der Gedenktafel von August Dunlow, dem Gründer von Crusader Industries. Er war ein Anti-Messer-Aktivist und Bürgerrechtsaktivist und gründete Crusader Industries nach dem Grundsatz, dass ein Unternehmen nur dann wirklich erfolgreich sein kann, wenn es der Gesellschaft etwas zurückgibt. Er hatte die Vision, dass ein Unternehmen sowohl finanziell profitabel als auch eine Kraft für das Gute sein kann.

Mein Blick schweifte in die Ferne zum Raumhafen, der mit seiner spinnenartigen Konstruktion zwischen den rosa Wolken schwebte. In einem ständigen Fluss starteten und landeten Raumschiffe. Imperator Addison hatte die Second Life Initiative gestartet, um die Regenerationsforschung zu unterstützen. Im Rahmen der Initiative sollten Unternehmen die für die Forschung dringend benötigten Güter spenden. Wer am meisten spendete, dem winkten Steuererleichterungen und Sponsormöglichkeiten an Gateway-Stationen. Ein Rennen zwischen den vier Megakonzernen in Stanton war entbrannt.

Bisher führte Hurston Dynamics das Rennen an. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was die raffgierige Familie Hurston beim Sieg mit den erhaltenen Vorteilen machen würde. Garantiert würden sie nichts an die Gesellschaft zurückgeben. 

Ich wandte mich ab und fuhr mit dem Shuttle zum Raumhafen. Als ich den Hangar betrat, begrüßte mich einer der Wartungstechniker.

“Willkommen zurück, Zero.”

“Ich bin nicht zurück”, grummelte ich.

Ich hatte mich entschieden, den Auftrag anzunehmen. Zum einen wollte ich die Vision von Augst Dunlow unterstützen, zum anderen hatte ich Crusader Industries meinen Neuanfang nach dem Aufenthalt im Klescher Gefängnis zu verdanken. Und meine Freunde konnten auch einen Tag länger warten.

Nachdem ich die Ausrüstung angelegt hatte, ging ich an Bord des von Crusader Industries gestellten Raumschiffes. Es war eine Argo Raft, ein mittelgroßes Transportschiff. An Bord fand ich verschiedene Handfeuerwaffen, was mich etwas irritierte.

Einige Zeit später erreichte ich den Mond Cellin. Träge reagierte dIe Raft auf meine Steuerimpulse, als ich sie abbremste und die Koordinaten anflog, von denen die Tracker sendeten. Der tief stehende Stern Stantons tauchte die graue Mondoberfläche in ein aschgraues Licht. Spät sah ich zwischen den Bergen einen alten Außenposten. Die Gerippe von vier zerstörten Kugel-Gastanks überragten die Anlage, die aus einem zentralen Frachtbereich mit Gebäuden , Landepads und Tanks bestand. Im gesamten Areal waren jede Menge Frachtcontainer verteilt. Der Bordcomputer markierte die Container, die ich bergen musste.

Gerade als ich zur Landung ansetzen wollte, zeigte die Statusanzeige Beschuss an. Die Schilde wurden von Handfeuerwaffen getroffen. Wie kleine Stecknadeln pieksten die Kugeln mein Raumschiff, ohne ihm etwas anhaben zu können. Als ich die Scheinwerfer aktivierte, sah ich jede Menge Nine Tails im Außenposten die auf mich feuerten. 

“Na toll”, dachte ich mir. Es wäre auch zu einfach gewesen, nur die Container einzuladen. Jetzt war mir klar, warum Handfeuerwaffen an Bord der Raft waren. Glaubte Crusader Industries tatsächlich, dass ich landen und den Nahkampf aufnehmen würde, um die Container zu bergen? Ich war kein Soldat und alleine hätte ich vermutlich keine Chance gegen die Piraten. Es musste einen anderen Weg geben. Nur welchen?

Einen Weg suchend umkreiste ich den Ort. Der Schatten der Raft glitt wie ein bedrohlicher Geist über die Anlage. Die Nine Tails rannten, suchten Deckung und feuerten aus allen Rohren.  Dann kam mir eine Idee. Ich stoppte die Raft direkt über dem Außenposten und aktivierte die VTOL Triebwerke. Meine Hoffnung war, dass das Raumschiff bei der geringen Schwerkraft des Mondes problemlos schweben konnte. Jetzt musste ich so schnell wie möglich auf das Oberdeck. Ich verließ den Pilotensitz und schaute aus dem Cockpitfenster. Meine Beine fühlten sich weich an, wie wenn man auf einem schmalen Brett balancierte. Die Raft stand jedoch in der Luft wie eine Eins. 

Nachdem ich sicher war, dass der Schwebeflug stabil war, verließ ich das Cockpit. Über eine Leiter kletterte ich auf das obere Deck. Das Hämmern der Kugeln, die auf die Raft gefeuert wurden, begleitete mich dabei. Das Geräusch lenkte mich ab und kurz vor der obersten Sprosse rutschte ich ab. Es machte klong, klong, klong, bis ich mehrere Sprossen weiter unten wieder Halt fand. Ich klammerte mich an die Sprosse, mein Herz raste. Einen Moment lang hielt ich die Augen geschlossen. 

Schließlich erreichte ich die Konsole für den Traktorstrahl auf dem oberen Deck. Dummerweise zeigte der Computer auf dem Kamerabild des Traktorstrahls keine Markierung an. Ich hatte Schwierigkeiten, die Container zu erkennen, die ich bergen sollte. Was ich jedoch sah, waren die Nine Tails, die ohne Unterlass auf mich feuerten. Ich konnte nur hoffen, dass nicht einer mit einer Railgun oder einem Raketenwerfer auftauchte.

Nach einer Weile fand ich die richtigen Container. Problemlos erfasste ich sie mit dem Traktorstrahl und beförderte sie nach oben, um sie an dem außenliegenden Frachtgitter der Raft zu befestigen. Ich war begeistert. Es war überaus praktisch, Fracht verladen zu können, ohne das Raumschiff zu verlassen und einen Zugang zum Schiff öffnen zu müssen. In gefährlichen Gebieten wie Pyro wäre das extrem vorteilhaft.

Nach nur wenigen Minuten saß ich wieder im Cockpit und ließ den Außenposten und den Mond Cellin hinter mir. Ich hatte die geklaute Fracht geborgen, ohne einen Schuss abzugeben oder mich selbst in Gefahr zu begeben.

Zurück in Orison gab ich die Raft mitsamt den Containern ab und begab mich auf dem schnellsten Weg in meinen Hangar. Es war Zeit nach Pyro zu fliegen und meine Freunde zu unterstützen. Als ich den Hangar betrat, fiel mein Blick als erstes auf die große Starlancer Max, die inmitten des Hangar drohnte. Dann fiel mir etwas auf, das hinter ihr bei einer Bucht stand. Ungläubig trat ich näher – und tatsächlich: ein ROC und ein ATLS Geo standen dort, wie Geister aus der Vergangenheit. Ein Piepser holte mich zurück – das Mobiglas leuchtete auf. Es war eine Nachricht vom Manager.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Mit dem ROC und dem Geo möchte ich mich erkenntlich zeigen. Ich hoffe Sie finden in Pyro die benötigten Mineralien um einen Beitrag zur Lösung der Regenrations-Krise zu finden. Die intensiven Gefechte rund um die alten Harthor Basen sind zwar abgeflacht, aber die Nine Tails haben sich dort breit gemacht. Es wäre also von großem Nutzen, wenn Sie einen alternativen Ort finden, an dem die Mineralien abgebaut werden können.
Und dann würde ich gerne noch um Ihre hervorragende Spürnase bitten. Wir haben Erkenntnis erlangt, dass Hurston Dynamics im Geheimen spezielle Flight Blades entwickelt, die Raumjäger wirkungsvoller machen sollen. Prototypen dieser Blades sollen an allen Kontrollinstanzen vorbei unter der Hand für Feldtests nach Pyro an eine Piratengruppe verkauft worden sein. Nach dem Killersatelliten-Skandal beobachten wir das mit Sorge. Bitte halten Sie in Pyro Ihre Augen und Ohren offen. Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie in der Sache etwas in Erfahrung bringen könnten.

Da war sie wieder, die Raffgier der Hurston Familie. Sie handelten nur zu ihrem eigenen Vorteil und brachten nichts als Leid und Verwüstung in die Welt. Die Nachricht fühlte sich an wie ein weiterer Beweis: Die Hurston-Familie war ein Mahnmal der Gier – und Crusader Industries mehr als nur ein Megakonzern. Es war richtig, Crusader Industries zu unterstützen. Trotzdem war ich froh, Orison und Stanton wieder zu verlassen. Nach dem Start wurde der Gasriese Crusader langsam hinter mir kleiner. Minuten später tauchte vor mir der in blaue Gaswolken eingebettete Sprungpunkt nach Pyro auf. Ein kindliches Vorweihnachtsgefühl machte sich in mir breit. Kurz darauf spuckte mich das Wurmloch in die braunen Gaswolken von Pyro aus. Zerfetzte Asteroiden und Trümmer alter Raumstationen umgaben die Starlancer. Mit dem warmen Gefühl, wieder am richtigen Ort zu sein, stieg auch die Anspannung. Pyro war kein Paradies, sondern ein Pulverfass. Die Gefahren in diesem gesetzlosen System waren der Preis für das freie und vom UEE unabhängige Leben.